Optimale Klangqualität durch ultraschnelle Signalverarbeitung: die neue Hörsystem-Plattform WIDEX MOMENT
Autor: Simon Müller, M. Sc. in Audiology, Audiologisch-wissenschaftlicher Leiter, Widex Hörgeräte GmbH
Ziel der Widex-Forschung ist es, Hörsysteme zu entwickeln, die Hörsystem-Trägern in jeder Hörsituation die natürlichste und reinste Klangqualität ermöglichen. Ein neuer Baustein hierfür ist der ultraschnelle Signalverarbeitungspfad PureSound der Hörsystem-Serie MOMENT. Mit PureSound gelingt es erstmals, verzögerungsbedingte Artefakte zu eliminieren, die das Hörerlebnis mit digitalen Hörgeräten bis dato wahrnehmbar beeinträchtigt haben. In Verbindung mit TruAcoustics ermöglicht Widex eine bislang unerreichte Klangqualität. Wie sowohl Hörsystem-Träger als auch Hörakustiker von diesen Schlüsseltechnologien profitieren, zeigt der folgende Beitrag.
Innovationen in bester Tradition: der Widex-Sound
Gemäß der Philosophie des besseren Hörens ist es das Ziel, Menschen mit Hörminderung uneingeschränkten und unverfälschten Zugang zur Welt der Klänge zu eröffnen. Zentraler Faktor aller Innovationen in der langjährigen Widex-Historie ist die Signalverarbeitungsstrategie für die Natürlichkeit des Klangs. Die Entwicklungsabteilung von Widex setzt dabei den Fokus auf folgende Faktoren: Dem Gehirn sollen alle relevanten Signal-Informationen für einen natürlichen Höreindruck zur Verfügung gestellt und die akustische Charakteristik der Hörumgebung bewahrt werden. Gleichzeitig muss die bestmögliche Sprachverständlichkeit gewährleistet werden, ohne dass die Reinheit des Klangs und die Klangfülle verloren gehen.
Die technologische Umsetzung realisiert Widex seither mit einer detailgetreuen Digitalisierung und Erfassung des gesamten Klangspektrums mit einer linearen Eingangsdynamik von 5 dB bis 113 dB SPL. Die hohe Abtastrate von 33 kHz sorgt für eine originalgetreue Reproduktion des Eingangssignals, während die 15-Kanal-Filterbank mit Einsatz von Infinity-Impulse-Response-Filtern geringe Durchlaufzeiten ermöglicht. Zusätzlich wird das Signal anhand der realen Hörsituation adaptiv in SoundClasses kategorisiert, von unerwünschten Schalleindrücken bereinigt und die Sprachinhalte hervorgehoben. Ausschlaggebend für die natürliche Klangqualität ist zudem das Kompressionssystem mit schnellen und langsam wirkenden Kompressoren, das ein ausgewogenes Verhältnis aus Hörbarkeit, Sprachverständlichkeit sowie Störlärmreduktion gewährleistet.
Mit der neuen MOMENT-Chipplattform stehen erstmals zwei parallel arbeitende Signalverarbeitungswege in einem Hörsystem zur Verfügung. Denn für die bestmögliche Versorgung unterschiedlicher Hörminderungen ist nicht nur die benötigte Verstärkung relevant, sondern auch weitere Parameter, wie z. B. die Durchlaufzeit des Hörsystems. Der klassische Verarbeitungspfad beinhaltet alle Signalverarbeitungen, die man von Widex-Hörsystemen kennt. Zusätzlich bietet der neuentwickelte ZeroDelay-Pfad inklusive PureSound-Technologie eine beschleunigte Signalverarbeitung, um eine verbesserte Klangcharakteristik zu ermöglichen.
Neben der Signalverarbeitung ist für Widex die Anpassung des Hörsystems an das individuelle Ohr des Hörgeräte-Trägers von Beginn an ein Schlüsselfaktor für eine hohe Klangqualität. Widex entwickelte daher das In-situ-Sensogramm und bietet heute mit TruAcoustics die präziseste Methode, die individuellen biometrischen Eigenschaften des Gehörs in der Hörsystem-Anpassung zu berücksichtigen.
Wie verzögerungsbedingte Artefakte in digitalen Hörsystemen entstehen
Digitale Hörsysteme sind seit ihrer Erfindung – vor allem bei offenen und Vent-Anpassungen – durch die Wiedergabe einer typischen Klangcharakteristik gekennzeichnet. Diese unnatürliche Klangcharakteristik ist als sogenannter Kammfiltereffekt bekannt und entsteht durch das zeitverzögerte Eintreffen des im Hörsystem verarbeiteten Schalls gegenüber dem Direktschall. Die Verzögerung ergibt sich zwangsläufig durch die Durchlaufzeit, die ein Signal benötigt, um vom Mikrofon des Hörsystems über den Hörer in den Gehörgang zu gelangen. Bereits eine Verzögerung von nur wenigen Millisekunden bewirkt eine Phasenverschiebung zwischen beiden Signalen (Direktschall und verstärktem Schall) im Gehörgang und führt zu additiven und subtraktiven Interferenzen bereits vor dem Trommelfell. Die daraus resultierenden Summenpegel ähneln den Zähnen eines Kamms und manifestieren sich über alle Frequenzen hinweg (siehe Abbildung 1 und 2). Weisen beide Schallquellen eine nahezu gleiche Amplitude auf, ist der Kammfiltereffekt am stärksten. Typischerweise liegt dieser Bereich zwischen 0,5 und 2 kHz, ist jedoch abhängig von der akustischen Ankopplung, dem Gehörgang und der Hörsystem-Verstärkung. Der aus direktem und verstärktem Schall zusammengesetzte Klang entspricht in seiner Qualität nicht mehr dem Originalsignal. Die verzögerungsbedingten Artefakte wirken sich bei geringen und mittleren Hörverlusten bzw. bei offenen und Vent-Anpassungen negativ auf die Klangqualität aus. Abgesehen von komplett geschlossener Anpassung war dies bislang unvermeidbar.